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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Wild West & Unions Events in ganz Deutschland
Margaret Pearce Offline

Sergeant

Beiträge: 27

03.11.2009 14:07
Reenactment: Schlacht von Cold Harbor - FAZ-Artikel Antworten

Hallo Ihr Lieben!

Da bringt mein Job auch mal was für`s Hobby - immer die aktuellsten Zeitungen :-)

Heute in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ein Artikel über die Schlacht von Cold Harbor, nachgestellt von Reenactment-Kollegen in der Rhön.
Meiner Meinung nach ein ganz nett gezeichnet Bild von Hardcore- und weniger Hardcore-Reenactern.

Es gibt auch eine Fotogalerie auf der FAZ.net-Seite: http://digbig.com/5bapce
Bekannte Gesichter habe ich allerdings nicht entdeckt...

Liebe Grüße,
Pia

Und hier der Artikel:

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.11.2009
Kriegsspiel in der Rhön
Unsterbliche Helden
Von Marcus Jauer

Konföderierte werfen sich wildentschlossen gegen den übermächtigen Feind
03. November 2009 Am Abend vor der Schlacht sitzen sie vor den Zelten und reden. Ein paar Männer putzen ihre Waffen, ein paar versuchen Feuer in Gang zu bringen, um zu kochen. Am Rande des Lagers stehen Kanonen, die Läufe zum Wald, dahinter grasen Pferde in einem Gatter, irgendwo bellt ein Hund. Auf dem schmalen Weg, der das Lager in zwei Hälften teilt, ziehen Soldaten vorbei. Die blauen Röcke gehören zu den Nordstaaten, die ein Stück weiter die Lichtung hinauf liegen, die grauen Röcke zu den Südstaaten, die in einer Senke lagern. Ein jeder bleibt auf der Seite, auf der er morgen kämpfen wird. Ein Freitagabend im Amerikanischen Bürgerkrieg.

Vor dem Stabszelt wartet Ben McCoy, der eigentlich Klaus Bunde heißt und in Norddeutschland eine Spedition betreibt, jetzt aber General ist und die Sache leitet. Er hängt dem Reporter einen grauen Südstaatenmantel über die rote Wetterjacke, dem Fotografen gibt er eine Armbinde mit Aufdruck „War Photographer“, außerdem bittet er, das Auto in den Wald zu fahren, damit es das Bild nicht stört. Die Leute hier tragen bis auf die korrekt kratzige Wollunterwäsche historisch genaue Uniformen, da kann sie schon eine versehentlich anbehaltene Armbanduhr daran erinnern, wie spät es wirklich ist, und sie sind raus aus der Geschichte. „Und wir wollen ja in die Zeit eintauchen“, sagt Bunde.

Es wird gesiezt und mit Dienstgrad angesprochen


Mittags wird der Krieg zum Essen unterbrochen
Es gibt Leute, die die napoleonischen Kriege nachspielen, es gibt Leute, die sich ins Mittelalter zurückversetzen, und Leute, die im Wald als Kelten leben. Wer sich umsieht in der Szene, bekommt das Gefühl, jedes Wochenende seien irgendwo Deutsche in eine andere Zeit unterwegs. An diesem sind es 250 Männer, die auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz in der Rhön eine Schlacht nachstellen, die schon seit 145 Jahren entschieden ist. Ihr Hobby nennt sich „Reenactment“, die Anhänger, von denen es in Deutschland viele hundert gibt, spielen den Amerikanischen Bürgerkrieg nach. Er dauert auch bei ihnen fünf Jahre, dann ist der Süden geschlagen, und sie beginnen von vorn.

Am Morgen treten die Parteien auf unterschiedlichen Wiesen, aber in Blickweite voneinander an. Die Offiziere dirigieren die Mannschaften nach Befehlen aus Originaldrillbüchern, deren Kopien sie mitführen. Das klappt beim Norden besser, wie das Bild, das er abgibt, auch insgesamt einheitlicher ist. Das Lager aufgeräumt, die Leute ordentlich angezogen, es wird gesiezt und mit Dienstgrad angesprochen. Im Süden trägt jede Einheit eine eigene Uniform, was historisch korrekt ist, und falls sich darunter mal eine Hose befindet, die aus dem Baumarkt stammt, ist das auch korrekt, weil der Süden am Ende ja so aufgerieben war, dass auch geplündert und improvisiert werden musste. Dafür wird im Lager abends gesungen, und wenn einer der Soldaten den Befehl nicht versteht, übersetzt ihn jemand ins Deutsche. Man ist da gar nicht so im Süden.

Der Norden geht ins Unterholz


Fall um und sei tot
Wer sich für welche Seite entschieden hat, scheint keine geographischen Gründe zu haben. Es gibt den Südstaatler als Württemberger und Allgäuer, als Sachsen und Vorpommer, wie es den Nordstaatler als Bayern und Niedersachsen gibt. Die einen begreifen sich nicht als ewige Verlierer, die anderen nicht als ständige Gewinner, weil der Krieg, wie sie ihn angehen, ohnehin nie zu Ende ist. Die einen werfen den anderen die Sklavenhalterei nicht vor, wie die anderen den einen nicht vorwerfen, dass diese später die Indianer ausgerottet haben. „Wir hassen die anderen nicht“, sagt ein pensionierter Bundesbahner, der seit Jahren für die Kavallerie des Nordens reitet, ohne ein Pferd zu haben, „wir brauchen die doch zum Spielen“. Getrennt voneinander marschieren die Armeen in den Wald. Der Norden geht ins Unterholz, der Süden bezieht Stellung in einem Graben, den vor langer Zeit die Bundeswehr ausgehoben hat. Es ist nicht ganz die Situation, die Anfang Juni 1864 zur Schlacht von Cold Harbor führte, bei der 170.000 Mann gegeneinander antraten und mehr als 15.000 fielen. Aber als der Norden dann Plänkler vorschickt und der Süden mit Kanonen antwortet und als wie aus dem Nichts plötzlich ein Gemisch aus Pulverdampf, Geschrei und Hektik entsteht, wird klar, dass es hier auch weniger um die historische Situation geht als um ein authentisches Gefühl.

Gegen elf Uhr drückt der Norden auf die linke Flanke des Südens, die bisher nur von der Artillerie gedeckt war. Die Offiziere gruppieren ihre Leute um, um die Kanonen zu schützen, aber einer der Captains kann nicht warten. Er stößt mit der 8th North Carolina vor, bleibt dann aber mit gezogenem Säbel vor der Artillerie stehen, die nun nicht mehr schießen kann, will sie nicht die eigenen Männer treffen. Hinten schlagen sich die Offiziere die Hände vor die Stirn. „Der Christian wieder. Er lernt’s einfach nicht.“ Vorn erkennt der Norden seine Chance zum Sturmangriff. Zwanzig Leute brechen aus dem Unterholz, überrennen die Kanonen, ein einfacher Soldat der Nordstaaten streckt den Anführer der Südstaaten nieder, der ihm im Fallen aber noch Mut macht. „Jetzt weiter! Weiter!“

Sie wollen sich ja nicht verletzen

General McCoy sieht dem Angriff von einem Waldweg aus zu. Er ist über siebzig und hat seit Jahren nicht mehr ins Geschehen eingegriffen, er stellt nur die Anträge, damit sie auf den Truppenübungsplatz dürfen. Eine Position, die ihm den Dienstrang eingebracht hat, womöglich aber auch die Überwachung durch die Behörden. Er ist davon überzeugt, dass der Militärische Abschirmdienst eine Akte über ihn angelegt hat, da der Staat nie wissen könne, ob jemand, der Männer zum Ballern in den Wald bringt, sich eine Privatarmee aufbauen will. „Aber ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen“, sagt Ben McCoy.

Ein Dutzend Nordstaatler laufen auf die Stellung des Südens auf, bis sie plötzlich der Schwung des Angriffs verlässt, weil der Sicherheitsabstand zu gering ist, um aufeinander zu schießen. Eigentlich müssen sie in den Nahkampf übergehen, aber sie wollen sich ja nicht verletzen. Nur ein kleiner Soldat, der sich später als Frau herausstellt, zieht das Bajonett und stochert in dem Holzverschlag herum, auf dessen anderer Seite fünf ratlose Italiener stehen. Sie schauen auf den kurzen Arm, der vor ihnen tanzt, bis sich Icke Carter, stellvertretender Geschäftsführer einer Berliner Fleischerei, hinter ihnen aufbaut und schreit: „Shoot the soldier!“ Da legt Sandy Wischmeyer, Rechtsanwältin aus Niedersachsen und im Bürgerkrieg, weil sie für die Emanzipation kämpft, das Bajonett weg. Für heute hat sie genug getan.

Heizöfe, damit sie sich nicht erkälten

Mittags wird der Krieg zum Essen unterbrochen. Ein paar Männer packen ihr Kochgeschirr aus, machen Feuer, schneiden Kartoffeln und erzählen Negerwitze. Ein paar kehren ins Lager zurück, essen Steak und trinken Bier, das aus einem Kiosk verkauft wird. General Ben McCoy und seine Adjutanten, beide Ende fünfzig, über die Jahre in absurd hohe Dienstgrade befördert und inzwischen selbst im Besitz eines Adjutanten, erwartet Gulasch aus dem Kessel. Im Grunde teilen sich die Leute hier nicht in Nord und Süd, sondern in die, die es ernst meinen, und die, die Spaß haben wollen. Die einen übernachten unter dünnen Decken draußen im Wald, tragen handgenagelte Schuhe nach alten Leisten und verbieten sich sogar Filterzigaretten, weil es die früher nicht gab. Die anderen frühstücken Toastbrot und Margarine und stellen Heizöfen in die Zelte, damit sie sich nicht erkälten, weil sie doch am Montag wieder zur Arbeit müssen. Am Abend nach der Schlacht sitzen sie vor den Zelten und reden.

Der Christian erzählt wieder die Geschichte, wie er vor Jahren bei einem Angriff erst über seinen Säbel stolperte und später vom Pferd fiel und mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus kam. Icke Carter, der wirklich so heißt, seit er sich den Namen in den Personalausweis eintragen ließ, erzählt, wie er diesmal wieder spürte, welcher Schuss für ihn bestimmt war und ihn niedergestreckt hätte. Herbert Fritz, der gerade in Kurzarbeit ist bei der Firma Schaeffler, erzählt, wie er mit seiner Richmond-Haubitze einen Opel Astra locker auf 1600 Meter trifft. Jemand erzählt, wie er seinen Hund „schusssicher“ bekam, indem er neben ihm Lufballons zerplatzen ließ. In ihren Geschichten mischen sich die Zeiten, dabei hatten die Männer alles versucht, sie getrennt zu halten. Es sollte doch echt sein, aber echt ist eben nur mit echten Kugeln. Das ist der Unterschied zwischen ihnen und denen, die sie spielen. Sie können nicht sterben. Sie fallen um, aber sie stehen wieder auf. So können sie Helden bleiben. Allerdings müssen sie, bevor sie fahren, morgen noch den Wald aufräumen.


Sgt.-Maj. Charles Baithen Offline

Sergeant-Major

Beiträge: 67

03.11.2009 20:55
#2 RE: Reenactment: Schlacht von Cold Harbor - FAZ-Artikel Antworten

Ich war da.
Das war auf dem Truppenübungsplatz in Oberwildflecken.

War ein sehr Schönes Reenactment.

Die Slideshow kenne ich schon seit ca. 2 Wochen.
Das mit dem Artikel war mir Neu.
Danke dafür. Werde es gleich in unserem Reenactmentforum einstellen.

Liebe Grüße
Viktor

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