Samuel Wolters' Rückkehr
September 1870
Es regnete in Strömen, als Samuel Wolters im letzten Tageslicht durch ein heruntergekommenes Viertel in San Antonio stapfte. Seine hohen Stiefel waren mit Schlamm, Rinder- und Pferdekot bespritzt und sein Fellmantel war vollgesogen und schwer vom Regenwasser.
Endlich war er zurück von der Reise nach Laredo, die wie ein Routinejob mit üblichem Risiko begonnen hatte, und die unerwartet zu einer Schatzsuche mitten in einem lebensgefährlichen Grenzscharmützel geworden war.
Nun gut, er hatte überlebt. Und in seiner Brieftasche steckte ein unerwartet hoher Lohn. Hoch genug, um ein neues Leben zu beginnen.
Er kam zu seinem Haus, ein etwas schäbiges zweigeschossiges Holzhaus schräg gegenüber von McGibbon’s Saloon, und schloss die Vordertür auf, die direkt in sein kleines Office führte. Das Rauschen des Regens erstarb, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Es roch nach altem Staub, kalter Asche und feuchtem Muff.
„Willkommen zu Hause, Sam“, sagte er laut in den dunklen Raum hinein. Das hohle Echo, das seine Worte zurückwarf, klang nicht nach Zuhause.
Eine halbe Stunde später hatte er den Muff hinausgelüftet, ein flackerndes Feuerchen im Ofen angefacht und sich eine Dose Rindfleisch mit Bohnen in der Pfanne heiß gemacht.
Jetzt saß er am Tisch und aß. Vor sich, an den Fuß der Petroleumlampe gelehnt, stand das Bankzertifikat, das ihm - Samuel Wolters, geboren in Pahoca, wohnhaft in San Antonio, Texas - das kleine Vermögen von 11.450 US$ bestätigte. Sein Anteil am Finderlohn für den Goldschatz aus Laredo. 50 US$ hatte er sich als Reisegeld in bar geben lassen. Eine neue Uhr hatte er sich davon auch gekauft; die Mexikaner hatten ihm in Laredo seine alte abgenommen, zusammen mit dem Geld, das ihm Richter Pearce als Lohn für die Zeugenvernehmungen bezahlt hatte.
Als er die Mahlzeit beendet hatte, holte er die Flasche mit echtem schottischen Whisky aus ihrem Versteck in der Küche. Diesen speziellen Stoff gönnte er sich nur bei besonderen Anlässen. Und dies war ein besonderer Anlass. Man wurde nicht alle Tage reich. Als Goldsucher hatte er in drei Monaten nicht halb so viel Geld zusammenbekommen, wie in Laredo nach drei Tagen.
Behutsam nippte er an dem Glas und genoss den vollen, kräftigen Geschmack, der noch lange angenehm am Gaumen kleben blieb. Er hielt das Bankzertifikat in der Hand, drehte es hin und her, und versuchte sich klarzuwerden, was dieses Geld für ihn bedeutete.
Ihm fiel nichts Gescheites ein und es wurde ihm langsam klar, dass er im Moment genau das Leben lebte, das er leben wollte. Dass da keine Vision war, die ihn leitete, und keine Pläne, die umgesetzt werden wollten. Das Geld schien zu einer Zukunft zu gehören, die noch nicht angebrochen war. Obwohl er das Zertifikat in der Hand hielt, schien es weit weg zu sein, unberührbar und unbegreifbar.
Als er den letzten Tropfen Scotch genippt hatte, schloss er das Zertifikat in den kleinen Tresor ein, der im linken Teil seines Schreibtischs eingebaut war. Dann entnahm er einer Schublade im rechten Teil des Schreibtischs eine halb volle Flasche Wild Turkey Roggenwhiskey, goss sich ein Glas ein und trank es aus. Rau und würzig spülte der Schnaps durch seine Kehle.
Dieses Haus war kein Zuhause. Und dieses Geld war kein Neubeginn für sein Leben. Aber es war ein gutes Gefühl, es zu haben. Wie ein Versprechen auf eine andere Zukunft.
Er genehmigte sich noch einen Whiskey ...
Die Morgensonne fand ihn zusammengesunken am Schreibtisch, die bartstoppelige Wange an die leere Flasche gekuschelt.