"Grau", sagte sie kleinlaut. "Von den Kompanien hab ich keine Ahnung, aber er war bei Colonel McAllister. Ich... er heißt Higgins. Private Higgins... Ebenezer Higgins", stammelte sie dann.
Lizzy reiß Dich zusammen, so geht das nicht. Meine Nerven müssen doch mehr gelitten haben, als ich ahnte, dachte sie. Unwillkührlich tastete sie nach den Briefen, die Sean ihr gegeben hatte. Sie richtete sich wieder im Sattel auf und überspielte ihre Verlegenheit mit einem unverbindlichen Lächeln.
"Pvt. Higgins hat uns in den letzten Monaten oft besucht und mein Bruder hat seine Familie im Sommer kennengelernt. Ich wüßte gerne, ob er noch lebt."
"Colonel McAllister? Ah...das 13th Virginia. Das stand zur besonderen Verfügung zur Bewachung des Stabsgebäudes und der ranghohen Offiziere. Tja, sie haben sich besonders dämlich angestellt, sonst würde er nicht hier liegen", meinte sie trocken und zeigte in die Kutsche.
"Sie finden das 13th Virginia weiter vorne. Soviel ich weiß hatten sie keine nennenswerten Verluste", erklärte sie dann.
"Oh ja, das ist gut... äh, nein, natürlich nicht gut."
Lizzy versuchte ernst zu schauen, was ihr aber auf Grund der guten Neuigkeiten nicht wirklich sofort gelang. Der Lieutenant muss mich für eine Idiotin halten.
"Ich werd mich mal wieder zu meinen Schwestern begeben und mit ihnen überlegen, was wir tun können, um den Menschen hier am besten zu helfen. Wenn der General aufwacht, dann richten Sie ihm bitte die besten Grüße und gute Besserung von mir aus. Wir sind nur zwei Wagen hinter Ihnen, falls Sie uns brauchen..."
Irgendwann schlief Julie durch das Ruckeln des Wagens und die aufkommende Müdigkeit ein. Und es war wie so oft, das der gleiche Traum kam. Weihnachten 1861...ein Feldlazarett, irgendwo in der Nähe einer Front, von der heute niemand mehr wusste, dass es sie überhaupt gegeben hatte. Sie saßen zu viert an einem Tisch, lachten und feierten das heilige Fest. Da waren James und 2 andere Ärzte, deren Namen sie im Laufe der Zeit Vergessen hatte. Sie hatte James geliebt. Beide hatten den gleichen Rang gehabt und wollten im Frühjahr 62 heiraten. Julie hatte den Auftrag gehabt einige feste Gebäude errichten zu lassen, was ihr natürlich sehr zu pass gekommen war, denn sie sah James sonst recht selten.
Auf einmal gab es Tumult und Schüsse fielen. James stand auf um zu sehen was los war und als er die Tür öffnete wurde er getroffen. Julie hatte die nächsten Minuten wie in Trance erlebt. Als sie wieder zu sich kam hatte sie seinen Kopf auf ihren Schoss gebettet und strich über seine blutverschmierten Haare. Er war am Kopf getroffen worden und musste sofort tot gewesen sein. Einige betrunkene Konföderierte waren wohl von ihrem Weg abgekommen und hatten einfach ein paar Schüsse auf das Lazarett abgegeben. Und von diesem Tag an war das Leben nie wieder so wie sie es gekannt hatte...
"NNEEIINN!!"
Mit einen lauten Schrei erwachte sie. Dann wischte sie sich schnell die Tränen ab und starrte aus dem Fenster. Als Colonel Rush sie fragte was los war sagte sie nur..."Es ist nichts Colonel. Es ist nichts...nichts was heute noch von Bedeutung wäre..."
Als der Abend kam hatte der Konvoy schon eine große Strecke hinter sich gebracht. Schon lange war die vertraute Umgebung verschwunden und Laredo County lag weit zurück. Doch diese Marschleistung hatte den Flüchtlingen, egal ob Soldat oder Zivilist, viel abverlangt. Durch großes Glück waren sie auf einen Zug gestoßen, der Versorgungsgüter nach Laredo bringen sollte und so konnten viele Frauen und Kinder auf diesem Weg in Sicherheit gebracht werden. Nur eine handvoll Zivilisten war geblieben und meist nur die, die ei der Versorgung der Truppen helfen wollten...
Nach den sie die Versorgunsgüter verteilt hatten campierte die Truppe, die nicht das Glück hatte den Zug nutzen zu können, doch der Lockführer hatte verprochen zurückzukommen, wenn er die Fahrtgäste abgesetzt hatte, was aber noch einige Tage dauern konnte.
Als Ruhe eingekehrt und die Verwundeten versorgt waren begab sich Lassiter zu einem der Feuer, wo auch andere Offizire in grau und blau saßen. Als er Julie Deveraux dort erkannte trat er hinzu. "Stört es sie wenn ich mich zu ihnen setzte Lieutenant?", fragte er die dunkelhaarige Frau.
Colonel (MD) Lassiter Rush Surgeon General des CS Medical Department Garnisionsarzt von Laredo
Julie hatte abwesend in die Flammen des Lagerfeuers gestarrt, als gäbe es dort etwas zu sehen, das nur sie sehen konnte. Sie hob den Kopf, als sie angesprochen wurde und fuhr sich mit einer Geste durch das Gesicht, als helfe diese unwillkommene Gedanken zu vertreiben. Als sie Col. Rush erkannte, machte sie eine stumme Geste mit der Rechten, die auf den leeren Platz neben ihr auf dem Baumstamm verwies. "Wie geht es dem General?" fragte sie.
Der Colonel nahm platz und setzte sich neben sie. "Den Umständen entsprechend gut, aber er hat viel Blut verloren und ich musste ihn dringend nochmal operieren. Trotz der Bedingungen hier hat das auch recht gut funktioniert. Er ist jetzt im Zug nach Fort Worth. Ein Steward begleitet ihn, denn hier würde er wahrscheinlich bald sterben. Ich hoffe er fällt dort in die Hände eines guten Chirurgen. Und wie geht es ihnen? Etwas besser?", fragte er dann vorsichtig und schaute sie an.
Colonel (MD) Lassiter Rush Surgeon General des CS Medical Department Garnisionsarzt von Laredo
Lizzy hatte direkt nachdem der Rastplatz erreicht worden war, mit ihren Schwestern und den Köchen der Grauröcke ein grossen Lagerfeuer angezündet und einen schnellen Topf Suppe gekocht. Nun waren ihre Schwestern an unterschiedlichen Stellen des Lagers unterwegs die Suppe zu verteilen. Ein Private trottete hinter Lizzy her und trug einen Kessel mit dampfender Suppe, ein anderer mit Brot.
Lizzy gab jedem, der ihr über den Weg lief eine Kelle Suppe und etwas Brot und versuchte auch ein paar aufmunternde Worte und Gesten zu finden. Sie lächelte, doch das Lächeln war nur aufgesetzt und ihre traurigen Augen konnten kaum darüber hinwegtäuschen, wie verzweifelt sie war.
Sie wendete sich von einer Gruppe Soldaten ab, die sich über eine warme Suppe wirklich gefreut hatten und ihr noch einen Gruß hinter her riefen, wischte sich müde ein paar Haare aus dem Gesicht, winkte den Privates ihr zu folgen und ging auf das nächste Lagerfeuer zu.
Dort saßen einige bekannte Gesichter, Lassiter, Julie und einige der anderen Offiziere, die sie von Zeit zu Zeit als Gäste in ihrem Restaurant hatte begrüßen dürfen. Ihr Restaurant, sie seufzte. Sie riss sich zusammen und lächelte in die Runde.
"Die Dame, meine Herren. Ich hoffe, ich kann Ihnen mit etwas Suppe eine Freude machen."
"Mir geht es gut. Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Ich komme zurecht" 'So wie immer' fügte sie in Gedanken hinzu und versuchte sich dabei an einem müden Lächeln, auch wenn ihr das nicht recht gelang. Für einen Grauen schien ihr der Colonel ja ganz in Ordnung zu sein. Was jedoch am meisten für ihn sprach, war die Tatsache, dass er Arzt war und sich somit deutlich damit vom gemeinen, schießwütigen Soldaten unterschied. Daher hatte sie beschlossen ihn nich gleich zu vergraulen. Außerdem konnte es nie schaden sich im Krieg mit Ärzten gut zu stellen... und mit der Feldküche.
Der letzte Teil kam ihr in den Sinn, als da plötzlich Lizzy O'Neal mit einem dampfenden Suppenkessel hinter sich vor ihnen stand und das Lächeln, das ihren Mund umspielte, schien diesmal tatsächlich echt zu sein. "Miss O'Neal, ich denke Ihre Suppe ist genau das, was uns jetzt fehlt. Es ist doch verdammt kalt heute Nacht, da ist zumindest mir etwas Warmes im Magen sehr willkommen"
Lizzy winkte die beiden Privates heran, die etwas hinter ihr her trödelten.
"Oh ja Lt. Deveraux, es ist wirklich bitter kalt. Und die Nacht hat noch nicht einmal begonnen," schauderte Lizzy, denn ihr war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, hier in der Kälte zu lagern - und das unter freiem Himmel! "Ich bin nur froh, dass die Kinder jetzt nicht mehr bei uns sind und bete, dass sie bald in Sicherheit sind.
Ich fürchte Lagerfeuerromantik, können wir heute Nacht wohl vergessen" scherzte sie dann halbherzig.
Lizzy verteilte die dampfende Suppe an die Offiziere und schenkte jedem dabei ein freundliches Lächeln. Als einer der Offiziere die Suppe ablehnen wollte, bis alle anderen, die es nötiger hätten, gegessen hätten, zog Lizzy eine Augenbraue hoch und erklärte ihm rigoros, dass er die Suppe jetzt essen werde, denn er müsse bei Kräften bleiben. Es sei ja für jeden genug da. Noch. Etwas kleinlaut mußte sie dann gestehen, dass sie selber noch nichts gegessen habe und wurde prompt von ihm dazu verdonnert, selber am Feuer zu bleiben und zu essen. Ganz ungelegen kam ihr das nicht, denn ihre Finger waren vor Kälte schon ganz steif und unbeweglich gefroren.
Die beiden Privates zogen mit den Resten der Mahlzeit ab Richtung Kochstelle.
Lizzy stellte den Teller auf den Boden, wickelte sich fester in den Mantel und setzte sich, wie angewiesen, zu den anderen ans Feuer.
"In Zeiten wie diesen, müssen wir alle zusammen halten", antwortete sie dem Captain freundlich, dann begann sie die Suppe zu essen und bemerkte dabei, wie hungrig sie war, hatte sie doch den ganzen Tag nichts gegessen.