"Seine Familie kam von der Nachbarplantage... wir kennen....kannten uns seit unserer Kindheit, gingen gemeinsam nach Westpoint und kämpften die letzten 10 Jahre zusammen und ich schickte ihn letztes Jahr kurz vor Weihnachten in den sicheren Tod." erzählte er gefaßt
Er sah auf den Beutel.
"Einer der Mexikaner trug seine Jacke... die habe ich an mich genommen, damit seine Familie wenigstens etwas zu bestatten hat... die Leiche werden wir nicht finden. Die Mexikaner haben viele unserer Kavalleristen in Massengräbern verscharrt nachdem sie sie ermordet hatten..."
Er nahm sich eine Zigarette und bot Lizzy ebenfalls eine an.
"Selbst Mexikaner müßten wissen, daß man Gefangene nicht so ohne weiteres erschießen darf...diese unzivilisierten Barbaren..."
Er zündete sie an und gab auch Lizzy Feuer.
"Wenn ich nach Mexiko gehe, Miss O´Neal, das schwöre ich bei Gott und allem was mir heilig ist, dann werden diese Tiere dafür bluten... keinen werde ich leben lassen... denn anders verstehen sie den Unterschied zwischen Recht und Unrecht anscheinend nicht."
Sams Züge verfinsterten sich.
Er stand langsam auf, schnelle Bewegungen schmerzten ihn anscheinend. Er sah aus dem Fenster Richtung Süden welches in die Zeltwand geschnitten war.
"Aber ich glaube nicht, daß wir in naher Zukunft zurückgehen werden... unsere Moral ist ungebrochen... unsere Körper hingegen schon."
Während Sam gefasst war, musste sich Lizzy wirklich zusammenreißen, nicht die Fassung zu verlieren. Auch wenn sie viele traurige Geschichten in den letzten Jahren gehört und auch selbst erlebt hatte, traf es sie immer wieder bis ins Mark, die Trauer anderer Menschen zu spüren.
„Es tut mir leid für Sie, ihren Freund und seine Familie. Sie sollten nicht gezwungen sein, so etwas tun zu müssen“, sagte sie sehr leise und man merkte ihr an, wie ehrlich sie dies meinte.
Sie griff dankend nach der Zigarette und zitterte dabei ein wenig.
„Recht… Unrecht… Irgendwann muss das aufhören, irgendwann müssen Sie alle Ruhe finden. Ich weiß, Sie denken jetzt an Rache und ich kann das sehr gut verstehen… Ich habe das alles schon erlebt...
Aber wenn die Zeit gekommen ist, dann müssen Sie stark genug sein, alles wieder aufzubauen. Sie haben eine Menge Zivilisten, die Ihnen vertrauen und die hierher kommen werden und auf einen Neuanfang hoffen. Die werden Sie brauchen. Und sie sind es ihnen schuldig. Mehr als ihrem Freund die Rache.“
Lizzy sah wieder auf den Beutel und fasste einen Entschluss:
„Geben Sie mir die Jacke, ich werde sie säubern und flicken. Ich kannte Ihren Freund nicht, aber seine Familie sollte sie nicht so in die Hände bekommen, wie ein Mexikaner sie getragen hat.“
Sam stand da, die Arme hinter dem Rücken verschränkt.
"Wir werden uns schon um unsere Zivilisten kümmern, Miss O´Neal. Morgen werden wir mit der Errichtung von Unterkünften beginnen... und die Schlüssel für die verlassenen Häuser besorgen."
Er drehte sich um.
"Wenn Sie so freundlich wären..." sagte Sam und nahm den Haversack auf und übergab ihn an Lizzy Der ehemals helle Stoff war mittlerweile fleckig braun von Sams getrocknetem Blut der letzten Tage.
Er goß Lizzy einen Whiskey ein und reichte ihr das Glas.
Lizzy nahm den Haversack und legte ihn vor sich auf den Tisch, dann ergriff sie das Glas und prostete Sam zu.
"Auf den Frieden, den wir eines Tages hoffentlich erleben werden", antwortete sie.
Sie trank den Whiskey aund schütteltete sich...
Dann nahm sie den Haversack vorsichtig in ihre Hände und holte die Uniformjacke hervor, um den Schaden zu begutachten. In der Brust waren zwei Einschusslöcher. Die sollte sie versuchen unauffällig zu stopfen, der Familie wegen. Sie drehte die Jacke nach innen und sah sich die Stelle von der Innenseite an. Ja, das sollte gehen. Dann fiel ihr Blick auf einen kleinen unauffällig eingestickten Namenszug. Sie lächelte traurig. In die Uniform ihres Vaters hatte ihre Mutter ebenfalls den Namen gestickt. Das getrocknete Blut und der Schmutz der letzten Monate machten den Namenszug fast unlesbar, die feinen Stiche waren kaum zu erkennen. Und einige Stiche würde sie versuchen müssen zu ersetzen.
Hmmmm. War das ein H oder ein A?
"Sir? Wenn Sie es wünschen, werde ich den eingestickten Namen auch ein wenig ausbessern. Aber ich kann die Initialen des Vornamens nicht erkennen. Ist es ein A oder ein H?"
"Ich... warten Sie. Schauen Sie mal. Das heißt nicht Purcell, oder?
P...e...r... hmmmm, das könnte ein "th" sein, dann ein Komma? Dann die Initialen des Vornamens. "H" oder "A", dann ein "L", das kann mann noch ganz gut lesen."
"Was meinen Sie ?" Sam ging zu Lizzy und sah sich die Jacke genauer an
Der Mexikaner hatte George eindeutig benannt, oder war es nur ein Wunschtraum gewesen? Hatte Sam den ´Paco dazu gedrängt? Die Berichte besagten George sei von Irregulären Truppen gefangen und hingerichtet worden. Waren sie vielleicht falsch? Oder war das einfach nur eine andere Jacke?
Sam versuchte die Buchstaben zu entziffern aber der Alkohol, die Müdigkeit und seine derzeitige Gesamtverfassung machten es ihm nicht leicht.
"... ich bin mir nicht sicher... Ich denke nicht, dass Purcell der Name ist, den man hier eingestickt hat. Wollen wir rausgehen? Draussen ist es heller."
Vorsichtig tupfte Lizzy noch mal über den feinen Namenszug.
"Ich bin mir fast sicher... Der erste Buchstabe ist ein "P", der zweite muss ein "e" sein. Für Purcell ist der Name zu kurz. Und warum sollte man als Initialen "A." oder "H." und "L." einsticken, wenn es George heissen müßte, also ein "G" sein sollte?"
Jetzt, wo Lizzy den Schriftzug vom restlichen Schmutz und Blut befreit hatte, waren selbst für Sams Augen die Initialen zu erkennen.
Lizzy schaute den Colonel erwartungsvoll an. "Was denken Sie?"
" Ich weiß es nicht...einerseits ja...andererseits auch wieder nicht. Ich hätte seiner Familie etwas zum beerdigen geben können...so bekommen sie nur einen Brief..."
Er schwieg kurz...
"Oder ich reite über den Rio Grande und hole die Jungs heim."
Sam hatte wieder dieses Funkeln in den Augen, das verhieß sicherlich nichts Gutes.
"Woher wissen Sie überhaupt, dass Ihr Freund tot ist? Trauen Sie wirklich einem Mexikaner?"
Als Sam den Rio Grande erwähnte, zuckte Lizzy zusammen.
"Sir, bei allem Respekt, NEIN. Mit Mühe und Not haben sich Ihre Leute hierher gerettet, wenn man diversen Berichten Glauben schenken darf. Und dann wollen Sie ihre Männer in den sicheren Tod führen?
Sie werden hier gebraucht. Ich habe nur eine ungefähre Vorstellung davon, wie viele Zivilisten in den nächsten Wochen hier eintreffen werden. Aber ich weiß eines: Diese Menschen haben alles verloren. Wie wir damals. Und die brauchen einen ruhigen Hafen, um durchatmen zu können. Wenn Sie da jetzt rüber gehen, dann fehlen Sie hier und was noch viel schlimmer ist, dann kommen die Mexikaner hierher.
Wenn sie Recht haben und Ihr Freund ist tot, denken Sie wirklich, dass er gewollt hätte, dass Sie den Toten mehr Beachtung zukommen lassen, als den Lebenden? Lassen Sie die Toten ruhen und kümmern Sie sich um die, die Ihre Hilfe brauchen."
Lizzy war so richtig in Fahrt gekommen, ihr Temperament konnte sie in solchen Situationen einfach nicht verleugnen. Doch jetzt, einen Moment später, tat es ihr schon wieder leid. Sie fuhr wesentlich leiser und zaghafter fort:
"Verzeihen Sie mir. Ich ... es geht mich nichts an. Es ist nur ... Ihren Leuten ist das Gleiche passiert, wie meinen. Und eigentlich sind ihre Leute ja auch meine... Ich ... Wir sind doch eigentlich mal Eins gewesen ... Verstehen Sie, was ich meine...?"
Sam hörte sich an was Lizzy ihm da so entgegenschmetterte.
Er war dabei seinen Glauben an die gerechte Sache zu verlieren, die er nun schon so lange verteidigte, für die er Männer tötete und in den Tod schickte. Eigentlich waren sie alle schon tot. Ein Überbleibsel, die ewig Gestrigen. Graue Geister die in diesen Landstrich ziehen werden, in diese Geisterstadt.
"Ich traue den Berichten unserer Männer, Miss O´Neal. Machen wir uns doch nichts vor..."
Sam deutete auf das Unionsbanner im Wind "Über kurz oder lang heißt es DAMIT leben, oder.." er deutet auf die konföderierte Flagge "... damit sterben."
"Ich traue den Yankees in Washington nicht soweitr wie ich sie schmeißen kann, Miss, diese verlogenen Personen in Ihrem Senat tun nichts ohne dafür etwas zu erhalten. Kriegstreiber und Kriegsprofiteure die uns , wie dressierte Mäuse in ihrem Zirkus auftreten lassen wollen, und das alles unter dem Deckmantel der Menschliuchkeit und Güte!"
Sam ging weiter und kam auf die Mainstreet. Nun hatte er sich in Rage geredet.