Mit dem Gepäck auf dem Rücken kam Julie den Bahnsteig entlang. Sie hatte sich freiwillig zum Dienst über die Weihnachtstage gemeldet, entkam sie doch so, diesem Ball auf den man sie hatte schleifen wollen.
Für sie hatte Weihnachten jeglichen Zauber verloren, seit jenem Tag vor nunmehr 10 Jahren. 10 Jahre? Waren es wirklich erst 10 Jahre? Ihr kam es vor wie ein ganzes Leben und irgendwie war es das auch. Seitdem hatte sich viel geändert.
Sie fragte sich immer noch zähneknirschend, wie es hatte passieren können, dass sie nunmehr tatsächlich mit grauen Truppen kooperieren musste. Nun ja, die Meisten von ihnen waren ganz anständige Menschen, die sich lediglich irgendwann einmal für die falsche Seite entschieden hatten, falls sie denn überhaupt eine Wahl gehabt hatten, wie sie sich leider eingestehen musste. Dennoch...
Sie bedauerte es sehr, dass ihr nicht vergönnt gewesen war diesen verräterischen grauen General zu verhaften, der für das Gemetzel in Fort Hood verantwortlich gewesen war. Das hätte ihr den Tag gerettet.
Stattdessen kam ihr heute noch die Galle hoch, wenn sie an diesen Purcell und seine 'Mannen' dachte. Diese waren genau die Art versoffener Abschaum, der einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hatte, dass sie heute war, wie sie nun mal war.
Naja, alles hat wohl irgendwie auch ein Gutes.
Julie zog bei dem Gedanken eine Augenbraue hoch, blieb stehen, seufzte und betrachtete das Bahngleis und den Zug. Überall Menschen, vor allem Menschen in grauen Uniformen und einige in Zivil. Vereinzelt ein paar Blaue.
Wieso war sie doch gleich nochmal bei den Provost Guards? Sie seufzte nochmal. Die nächste Zeit würde anstrengend werden, wieder mehr oder minder alleine unter Grauen. Aber was tat man nicht alles und neu war es ja nun auch nicht mehr.
"Und wenn wir dann erst den Krieg gewonnen haben.... habe ich auch Zeit für dich, mein Ehrenwort darauf." versprach der General
"Was Deine Tätigkeit als Krankenschwester angeht...." er stoppte kurz
"Der Vertrag wird annuliert.... Du kannst mir nicht erzählen, daß du die paar lumpigen Dollars brauchst.... wenn wir verheiratet sind, wirst Du freiwillig dort arbeiten und das Ganze umsonst. Das wäre mit SIcherheit ein gutes Beispiel für die Truppe." meinte er dann
Sam hätte es nicht ertragen können Charlotte zu weit von ihm entfernt zu wissen, aber er mußte sich ein Hintertürchen offen halten, sollte irgendetwas nicht nach Plan verlaufen.
"Ich hoffe ich komme dir damit etwas entgegen?" fragte er leicht unsicher
"Ich schicke Dich nicht weg, solange ich deine Sicherheit gewährleistet sehe, versprochen." sagte er
"Aber ich würde daran brechen...sollte Dir etwas zustoßen... ich schicke dich nur weg wenn ich dich nicht mehr schützen kann... "
Er sah ihr in die Augen "... Deine Nähe tut mir viel zu gut, als daß ich sie unnötig missen wollte.... und tust Du mir bitte den Gefallen und bleibst wie Du bist...auch wenn wir verheiratet sind?"
"Keine Ursache für Dank.... seit Du in mein Leben getreten bist begreife ich erst wieder, was es heißt zu leben... und wie schön es sein kann. Insofern ist es an mir, Dir zu danken.... aber diese Diskussion könnten wir wochenlang fortführen denke ich." meinte er
Ihm fiel das Päckchen von Cathy ein.
"Ach ja... hier ." er gab es ihr
"Colonel Sullivan bittet Dich, dieses Päckchen an Lizzy weiterzugeben, mit ihren besten Empfehlungen..."
Dann griff er an seine Westentasche und holte einen seiner Orden heraus, den er Charlotte an den Mantel steckte.
"Von all dem Tand, den ich an der Brust trage, ist das das Einzige was mir wirklich etwas bedeutet und wichtig ist. Ein Freund gab ihn mir... vor einer Ewigkeit wie mir scheint... er symbolisiert alles für das ich stehe und all die Jahre stand. Wenn ich nicht bei dir sein kann, dann soll er Dir ein Talisman und Kraftspender sein..."
Er war fertig und sah sie an.
"Abgesehen davon ist er eine ausgezeichnete Ausrede um ein Vier-Augen-Gespräch mit mir zu führen, wenn wir im HQ sind.... Cpt. Scott wird dich sicher einlassen wenn Du ihn mir zurückbringen willst." sagte er schelmisch grinsend
Sam sah zum Schaffner, der wohl schon eine Weile etwas abseits dort stand und den General nicht stören wollte.
Er atmete tief durch und setzte ein überzeugendes Lächeln auf.
"Scheint so..."
Der Bahnsteig war leerer geworden und aus den Fenstern im Waggon sahen die Soldaten herüber zu dem paar und lächelten herüber. Ein seltsames Bild, sie dort zu sehen. Alte und graue Männer, neben jungen Burschen, die wohl noch nie bei einer Frau lagen.
"Wir sehen uns schon bald wieder.... gesund und munter... " meinte er schließlich
Sam vergaß alles um die beiden herum, beziehungsweise ignorierte er es einfach, umarmte Charlotte und küßte Sie.
Die Männer im Waggon beobachteten das Paar und einige ältere Soldaten lächelten, als schwelgten sie in Erinnerungen an ähnliche Situationen, in denen sie dereinst selbst gewesen sind.
Krieg hieß Abschied nehmen und Abschiede waren immer schwer zu ertragen, vor allem wenn es ungewiß war, ob man einander wiedersehen würde.
Der General löste die Umarmung und strich Charlotte über die Wange.
"Auf bald, mein Herz... Gib auf dich Acht!" sagte er
Sam kletterte jetzt den Zug rauf und stellte sich auf die kleine Plattform zu seinem Waggon. Als sich der Zug langsam in Bewegung setzte.
"Finnegan jetzt aber flott! Wie sollen wir denn ohne Sie gewinnen?" schmetterte er einem recht jung aussehenden Private entgegen der so ziemlich als letzter zum Zug gesprintet kam und im letzten Moment erst aufspringen konnte
Dann blickte der General zu Charlotte und John. Er lächelte freundlich und strahlte seine Zukünftige geradezu an, als er sein Cepi abnahm und es zum Gruß hob.
Charlotte sah, daß er, obschon er so oft über das Militär und den Krieg meckerte, seinen Beruf nicht missen wollte.... und daß es für sie noch ein gehöriges Stück Arbeit war ihn irgendwann einmal aus der Uniform zu bekommen.