Der Ansturm auf Laredo war vorbei, der "Schatz" gefunden, die meisten der Fremden hatten die Stadt nicht schnell genug verlassen können und sich in alle Winde verstreut. Erleichtert über den vorläufigen Frieden, der sich wieder über Laredo gesenkt hatte, lehnte sich Lizzy an die Veranda vor der Küche. Dann ging sie in Gedanken, die Anzahl der Personen durch, die heute schon zu Mittag gegessen hatten. Ein Wagen hatte das Stew zur Baustelle rausgebracht, auf der die Bauarbeiter die Reste des Forts begutachteten, die Handvoll Bewohner Laredos hatten bereits alle gegessen. Jetzt saß die zweite Gruppe der Unions- und der NKS-Soldaten gemeinsam am Tisch und scherzten und lachten beim Essen. Der Einzige, der noch nicht gegessen hatte, war der Colonel. Er war nicht aus dem Lager zur Küche gekommen, auch heute Morgen nicht.
Lizzy seufzte, raffte sich auf und erklärte ihrer Schwester Meggie, sie werde dem Colonel mal eben etwas Stew bringen, damit die beiden Geschwister bis zum späten Nachmittag das Restaurant schliessen könnten. Während Lizzy sich eine saubere Schürze umband und sich durch die Haare fuhr, füllte Meggie eine gute Portion Stew in einen kleinen Topf und hielt ihrer Schwester den Henkel hin, dann grinste sie und sagte: "Ich weiß schon genau, warum Du ins Lager willst. Sag ihm, er soll sich noch mal von Grant untersuchen lassen. Sicher ist sicher."
Lizzy lächelte und nickte ihrer Schwester zu. "Bis gleich."
Lizzy eilte auf die Veranda zu ihrer Schwester Meggie, die sie über die Ankunft diverser Unionstruppen informierte, welche über die Hauptstrasse nach Laredo gekommen waren, während Lizzy ihr die Uniformjacke zeigte und ihr die organisatorischen Teile des Gesprächs mit McAllister wiedergab.
Unschlüssig sahen die beiden Schwestern sich an. "Und was machen wir jetzt?, fragte Lizzy. "Ich weiß es auch nicht. Gehören die jetzt zu den Soldaten, für die wir kochen sollen?", antwortete Meggie. Die beiden zuckten gleichzeitig mit den Schultern und mußten darüber lachen.
Lizzy füllte eine Waschschüssel mit kaltem Wasser und legte die Uniformjacke zum Einweichen vorsichtig hinein.
"Weißt Du was? Geh mal schnell rüber zum Doktor und frag nach. Ich setz einen großen Topf Wasser auf. Heißes Wasser kann man ja nie genug haben. Und zur Not können wir schnell eine Suppe kochen", meinte Meggie augenzwinkernd und machte sich direkt an die Arbeit.
Lizzy füllte schnell eine Kanne mit Kaffee ab und ging einmal quer über die Straße.
Ohne Kaffeekanne, die hatte sie Captain Grant und seinen Leuten im Hospital gelassen, kam Lizzy zurück ins Restaurant und setzte ihre Schwester in Kenntnis, dass sie zumindest nicht für O'Mellys Soldaten kochen sollten. Während Lizzy Meggie erklärte, dass sie sich nicht sicher sei, ob die Männern des Generals und die Männer des Generals beide gemeint gewesen wäre, packte sie ein Tablett mit einigen Tassen, einer Kanne Kaffee, Milch und Zucker.
Sie fuhr sich noch einmal durch die Haare, zog ihre Schürze gerade und machte sich dann auf, einmal quer über die Straße zum Sherrifs Office.
Lizzy eilte über die Main Street direkt zu ihrer Schwester, um ihr die Neuigkeiten über ihren Gast am heutigen Abend zu berichten.
Dann machten die beiden sich an die letzten Vorbereitungen für das Abendessen. Bald würden die ersten hungrigen Gäste eintrudeln. Das Geklapper von Geschirr und der Geruch von gebratenen Zwiebeln und Fleisch drang bald, begleitet von den Gesprächsfetzen und Lachen, aus dem Restaurant auf die Main Street.
Claudine saß mit ausgestrecktem linken Bein, eine Tasse dampfenden Tee in der Hand haltend, auf der Veranda des Meal House. Vor ihr auf dem Tisch stand ein leerer Teller, auf dem nur noch Krümel von Brot und Rührei lagen. Am Tisch lehnte ihr Gehstock, den sie zur Schonung ihres mittlerweile verheilten Knies nutzte, da es bei einigen Bewegungen, vor allem unter Belastung, immer noch schmerzte. Captain Grant hatte mit seiner Prognose, dass das Knie wohl steif werden würde, recht behalten, aber immerhin hatte sie es noch.
Lizzy kam aus der Türe und strich sich einige widerspenstige Haare aus dem Gesicht.
Sie sah einmal in die Runde. Ihr Restaurant hatte sich situationsbedingt sehr verändert. Vor dem Gebäude war ein großer Bereich abgespannt, um den Mengen an Flüchtlingen, die sie in letzter Zeit verpflegt hatten, Schutz vor dem Wetter zu bieten und auf der rechten Seite des Gebäudes waren zwei Feuerstellen mit großen Kochtöpfen und ein Backofen aufgebaut worden. Die ersten Tage nach der Ankunft der Flüchtlinge waren chaotisch und sehr anstrengend gewesen, so viele Münder zu stopfen. Doch mittlerweile hatte sich die Situation wieder beruhigt und viele Familien waren nun in der Lage, sich selber auf einer neuen Kochstelle zu verpflegen und die Schwestern fanden, neben den riesigen Suppentöpfen, die sie immer noch zweimal am Tag füllten, die Zeit, den normalen Restaurantbetrieb wieder aufzunehmen.
"Miss Roquefort? Kann ich Ihnen noch etwas bringen?" Lizzy lächelte die junge Frau freundlich an.
Claudine hatte vor sich hingeträumt und wurde erst auf Lizzy aufmerksam, als diese sie direkt ansprach. "Oh non merci, machen Sie sisch keine Mühe, isch bin wunschlos glücklisch.", anwortete sie und lächelte zurück.
"Endlisch kann man ein wenig Luft holen, jetzt wo sisch die Dinge langsam einspielen.", sagte sie mit einem Blick auf die sich langsam belebende Main Street.
"Da haben Sie recht. Das war schon ein wildes Durcheinander in den ersten Tagen. Aber ich bin froh, dass wieder Leben in Laredo ist. Auch wenn ich mir wünschen würde, dass die Menschen ein wenig glücklicher wären.
Die Verzweiflung ist nahezu greifbar", antwortete Lizzy und nickte freundlich einer Frau mit einem sehr traurigen Ausdruck auf ihrem Gesicht zu, die mit zwei Kindern, die sich so sehr an sie klammerten, dass sie Mühe hatte geradeaus zu laufen, in Richtung Kirche ging.
"Sehen Sie mal, dass ist Mrs. Bloom, sie geht jeden Morgen in die Kirche und zündet eine Kerze für ihren Mann an. Sie hofft immer noch, dass er auf den Verwundetenlisten auftaucht oder dass er einer der Männer ist, die noch aus den Gefangenenlagern zurückkehren."
Lizzy sah der Frau nach und seufzte. "Soviel Leid."
Auch Claudine sah Mrs. Bloom hinterher und nickte nur traurig, als Lizzy über die Verzweiflung und das Leid der Flüchtlinge sprach.
Ihre Kollegen und sie hatten in den letzten Tagen Unmengen an Patienten versorgt. Viele, vor allem diejenigen die aus Mexico eintrudelten, kamen mit nur notdürftig versorgten Wunden zu ihnen und so mancher kämpfte mit Wundbrand und Fieber. Einige hatten den Kampf verloren, andere wiederum mit Glück nur eine Gliedmaße.
"Beten wir, dass sie alle nischt noch mehr Leid ertragen müssen."
Claudine trank ihren Tee aus, nahm ihren Gehstock, setzte ihr Capi auf, und erhob sich von der Bank.
"Das Frühstück war mal wieder fantastique und reischlisch, Miss O'Neal, aber isch sollte misch jetzt zum Dienst melden. Isch wünsche dann noch einen angenehmen Tag.", verabschiedete sie sich und humpelte einmal quer über die Main Street zum Lazarett.
Lizzy trat mit einer Tasse Kaffee in der Hand in die Tür, streckte sich einmal kurz, lehnte sich an den Türrahmen und sah auf die Strasse heraus. Als sie einen Schluck Kaffee nahm, sah sie den Rücken einer Frau, die sich müde an die Bank zurückgelehnt hatte.
Schon wieder ein neuer Flüchtling. Die Arme. Mal sehen, vielleicht kann ich ja was für sie tun, dachte sie, überquerte die Veranda und ging die Stufen zur Bank herunter.
"Mam? Kann ich etwas für Sie...", in diesem Moment erkannte sie die junge Frau, die schon einige Wochen früher in Laredo gewesen war. "Guten Tag, was machen Sie denn hier? Wie geht es Ihnen?", fragte sie Miss Brooks freundlich, aber überrascht.
"Ach, wie unaufmerksam von mir. Möchten Sie einen Kaffee?"
Sarah war völlig in Gedanken versunken und erschrak ein wenig, als sie angesprochen wurde.Sarah drehte sich um, und sah das es Miss Oh´Neal war. "Oh, gegen einen Kaffee ist nichts einzuwenden. Ich habe von einer guten Bekannten Spielzeug bekommen, das ich hier gerne an die Kinder verteilen würde." antwortete Sarah und stand auf.