"Dann nach Norden", meinte Elias und setzte sich langsam in Bewegung. Er war zunächst eher schweigsam und ließ seinen Blick über Passanten und Gebäude schweifen. Im Vergleich zu dem Zustand der Stadt vor ein paar Wochen hatte sich viel getan. Die Zelte an der Straße waren hölzernen Gebäuden gewichen und fast jeder hatte inzwischen ein festes Dach über dem Kopf, auch wenn man oft auf sehr engem Raum zusammenlebte. Hier und da hatten einige Läden eröffnet, auch wenn Cheap Joe's wohl noch immer das erste Geschäft am Platz war. Gelegentlich konnte man in den Blicken der Leute noch die tiefe Distanz zu den Unionssoldaten sehen, aber das war bei weitem nicht mehr die Regel...
Grants Schweigen war Claudine durchaus recht. So gingen sie einige Zeit schweigend nebeneinander her und auch sie betrachtete das Leben, dass um sie beide herum seinen Lauf nahm.
"Es ist schon merkwürdig", begann Claudine nach einigen schweigsamen Minuten und einigen Metern Weg, ",wie schnell so eine Stadt zu Leben kommen kann."
Als sie sich so umsah, entdeckte zwei kleinere Kinder, sie mochten vielleicht fünf oder sechs Jahre alt sein, die in einem Vorgarten, so denn man das verwilderte Grundstück so nennen wollte, aus einigen Stöckern ein kleines Gebäude errichteten. Mit viel Phantasie konnte man die Form eines Forts erkennen.
"Und es ist noch merkwürdiger", fuhr sie fort, ", dass das Militär immernoch hoch im Kurs steht.", endete sie und zeigte mit einem seitlichen Kopfnicken und einem Lächeln auf die beiden Kinder.
Elias schüttelte den Kopf. "Es ist nicht merkwürdig, denn man muß nur einen Anreitz haben, dann ist der Mensch zu vielem fähig...auch dazu, eine Stadt wieder aufzubauen. ...und was die Kinder angeht, so spielen sie das, womit sie aufgewachsen sind. Die Soldaten sind ihre Vorbilder und somit eifern sie ihnen nach. Zeigen sie einem Jungen eine Muskete oder einen Säbel und er bekommt glänzende Augen. So ist das nun einmal...so ist der Lauf der Welt", meinte er dann nachdenklich.
Claudine schwieg eine ganze Weile und dachte über das von Grant Gesagte nach. Dann blieb sie kurz stehen und schaute zu ihm. "All diese Menschen investieren soviel Energie in den Aufbau, dabei sind sie nur auf Zeit hier geduldet. Wie werden sie wohl reagieren, wenn sie auch das Alles wieder aufgeben müssen? Isch frage misch, ob ein Mensch immer und immer wieder von vorne anfangen kann, ohne daran zerbreschen?", sagte sie und in ihrer Stimme klang Bedauern ob der Situation der Flüchtlinge aber auch Bewunderung für deren Stehauf Mentalität mit.
"Was die Kinder angeht, so ist deren Bewunderung einerseits verständlisch aber andererseits irgendwie auch erschreckend. So haben doch auch sie die Greuel des Krieges erlebt, aber Gott scheint eine schützende Hand über den Geist der Kinder zu legen, damit sie an dem erlebten Elend nischt zerbreschen und isch glaube, das ist auch gut so.", endete sie.
Die Beiden waren nun schon ein ganzes Stück gegangen und langsam merkte Claudine, die in den letzten Wochen nicht soviel auf den Krücken unterwegs gewesen war, wie sehr sie der Spaziergang doch anstrengte. Zudem war durch die Apparatur das Hosenbein nicht geschlossen und langsam kroch die Kälte in ihr linkes Bein. Sie war sich mit einem Mal nicht sicher, ob sie die Strecke zurück zum Lazarett überhaupt schaffen würde. Mit einer kleinen Erholungspause könnte es gehen, dachte sie bei sich und sah sich nach einer Sitzgelegenheit um.
Elias schwieg einige Zeit und dachte über Claudines Worte nach. "Die Leute wissen, dass sie hier nicht ewig sein werden, es sei denn einige entschließen sich als Bürger der Union zu bleiben. Doch diese Beschäftigung bewahrt sie vor der Verzweiflung. Es lenkt sie ab und ausserdem brauchen sie eine feste Bleibe für den Winter. Ich denke wenn die Zeit gekommen ist werden sie einfach in ihre Häuser in den NKS zurückkehren und dort weitermachen. Gott möge ihnen dabei helfen und die Mexikaner vertreiben...
...was haben sie?", fragte er dann als die junge Frau anfing sich umzusehen.
Elias nickte und schaute sich ebenfalls um. Unter einer alten Plane entdeckte er dann einige Tische und Stühle die jemand an einem, noch nicht renovierten Haus, abgestellt hatte. Er schob die Plane beiseite und stellte einen Stuhl zurecht. Daraufhin machte er eine einladende Geste. "Sie haben einen Stuhl bestellt Madame...bitte nehmen sie platz", kommentierte er das Ganze.
"Vier Augen sehen anscheinend sehr viel mehr als zwei.", sagte Claudine, denn die Stühle waren ihr nicht aufgefallen. Dann ging sie mit ihren Krücken das kurze Stück zum Stuhl, setzte sich vorsichtig und schlug den Mantel so gut es ging um die Beine.
"Meinen herzlischten Dank Captain. Nun fehlt nur noch ein Tässschen Tee sowie etwas Gebäck und unser Nachmittagskränzschen ist perfekt.", sagte sie lachend.
Elias grinste. "Sehr wohl, Madame...allerdings wäre es reitzend wenn Madame sich, nach einer angemessenen Pause, mit mir zusammen in unsere Räumlichkeiten bemühen würde wo ich ihr dann einen Tee servieren werde", erläuterte er gespielt überzogen.
Claudine lächelte bei Grants Antwort. Dann nahm sie eine stark übertriebene damenhafte Haltung ein und sagte näselnd: "Aber natürlisch James, aber bitte nur zwei Löffel sucre und drei Schlückschen Sahne." Weiter kam sie nicht, da sie in Lachen ausbrach.
Elias deutete eine Verbeugung an. "Sehr wohl, Madame. *Räusper* Hat sich Madame schon überlegt wann sie geneigt ist den Rückweg anzutreten", fragte er dann.
Grants Schauspiel erheiterte Claudine noch zusätzlich und sie antwortete etwas atemlos vor lauter Lachen: "Alors, geben Sie mir noch fünf bis zehn Minuten Captain. Isch denke dann habe isch genügend Luft und auch wieder Kraft, den Rückweg an zu treten."
Gut gelaunt setzte Elias seine 'Butlerrolle' noch einige Minuten fort, bevor sie den Rückweg antraten. Dann wurde er wieder ernster und ließ seinen Blick über die Häuser und Mensch hier schweifen.
Claudine bereitete es einen heiden Spaß, noch eine Weile mit Grant zusammen herum zu albern. Einmal kurz war sie am überlegen, was wohl jemand der sie Beide beim Herumblödeln sah denken würde. Bestimmt würde derjenige mit dem Kopf schütteln und sich über ihr Verhalten wundern oder vielleicht aufregen, aber das war Claudine egal. Manchmal sucht sich der Streß einfach ein Ventil und es tat einfach nur gut, mal etwas ausgelassener zu sein.
Als Grant wieder ernster wurde, beruhigte síe sich auch wieder. Sie atmete einige Male tief durch und sagte dann zu Grant: "Alors, gehen wir? Isch denke der Rückweg sollte jetzt kein Problem für misch sein." Grant half Ihr beim Aufstehen, was sie bereitwillig geschen ließ, und so gingen sie schweigend die ersten Meter. Claudine bemerkte Grants Blick. "Ist irgend etwas Captain?"