Das Gesicht des Offiziers hellte sich merklich auf. "Ach ja, ich entsinne mich...natürlich", bemerkte er freundlich. "Was die Zuteilungen hier angeht, so sind sie bei mir völlig richtig. Das ist der Vorteil meiner Position, da wir eventuelle Änderungen direkt vornhemen können. Apothekerin sagen sie? Sehr interessant. Gute Apotheker können wir brauchen...wo haben sie denn studiert?", fragte er äusserst interessiert und musterte Madeline.
Colonel (MD) Lassiter Rush Surgeon General des CS Medical Department
Augenblicklich straffte Madeline sich. Sie hatte es doch gewusst, das Mr. Rush sich ihrer Bitte annehmen würde.
„Ich habe an der Universität von Austin studiert und auch dort promoviert. Habe also ein echtes Examen. Mein Vater hatte eine Apothekenkette in Texas. Als er starb, übernahm ich die Führung dieses Unternehmens. Schon in meiner Kindheit durfte ich oft bei Vaters Tätigkeiten zusehen und manchmal auch ein wenig beim Rühren helfen. Sie sehen also, ich bin bestens ausgebildet und brenne darauf mein Können auch zu nutzen.“
Ob ihr kleiner Vortrag ihrer Familiengeschichte wohl hilfreich sein würde?
Lassiter nickte zufrieden. "Seltsam, dass man das bei ihrer Einstellung nicht berücksichtigt hat. Aber wie dem auch sei, sie haben sich ja dennoch als Krankenschwester eingeschrieben und das allein verlangt schon Respekt. Wenn sie aber eine Anstellung als Apothekerin suchen, so lässt sich das natürlich regeln. Für wie lange gedenken sie dem Medical Department in dieser Position zur Verfügung zu stehen?", fragte er dann freundlich.
Colonel (MD) Lassiter Rush Surgeon General des CS Medical Department
„Nun, Sir. Ich bin nicht sonderlich erpicht darauf in meinem Haus in Washington zu versauern. Solange ich mich als Apothekerin nützlich machen kann werde ich ihnen zur Verfügung stehen. Natürlich weiß man nie wie das Schicksal so mit einem spielt. Fürs Erste würde ich mal sagen, solange dieser Krieg andauert stehe ich dem Medical Departement als Apothekerin zur Verfügung.“
Nach dem Krieg hatte Madeline vor, das Familienunternehmen wieder aufzubauen. So es dann noch möglich war. Ihr Erbe war schließlich auch eine Verpflichtung ihrem geliebten Vater gegenüber.
Wiederum nickte Lassiter und lächelte charmant. "Dann sehe ich keine Probleme. Ich würde dann ein entsprechendes Dokument ausstellen und sie als Apothekerin im Rang eines Medical Cadet in Dienst nehmen und ihren Kontrakt als Krankenschwester entsprechend ändern lassen. Sobald sie das militärische Grundwissen erlangt haben werden sie dann in den Rang eines Lieutenant MD erhoben. Aber keine Angst, es unterscheidet sich kaum von der zivilen Arbeit und, ehe sie fragen, sie dürfen selbstverständlich auch einen entsprechenden Rock zur Uniformjacke tragen. Als zivile Apothekerin können wir sie leider hier an der Front nicht einsetzen, da wir aus dem letzten Krieg gelernt haben...wären sie damit einverstanden?", endete er dann.
Colonel (MD) Lassiter Rush Surgeon General des CS Medical Department
„Ich verstehe nicht warum es nicht möglich ist, mich als Apothekerin einzusetzen ohne das ich gleich dem Militär beitreten muss. Eine Uniform zu tragen kommt nicht in Frage für mich. Was wär denn gewesen, wenn ich auf eigene Faust hier vorbei gekommen wäre und meine Hilfe als Apothekerin angeboten hätte? Hätte man mich dann auch erst in die Armee geschickt? Wenn man Leute mit meinen Fähigkeiten doch braucht, wozu dann noch den Umstand mit dem Militär?“
Madeline sah wie Miss Roquefort sich angegriffen fühlte. Sie trug ja Uniform. Sogar Hosen! Das war etwas das sie nie übers Herz bringen konnte. Zivile Krankenschwestern konnte man einsetzen aber zivile Apotheker nicht? Das verstand sie nicht so recht. Wo war denn da der Unterschied?
„Hospital Steward Roquefort, ich möchte damit auf keinen Fall andeuten das Frauen nicht in Uniformen gehören. Dennoch würde ich es nicht machen. Ich bin Apothekerin, keine Soldatin. Und ich hatte auch nicht vor eine zu werden.“
„Gibt es denn gar keinen anderen Weg, Sir?“
Miss Higginbottom hoffte das es einen anderen gab. Sie war gut in dem was sie tat. Wenn man sie nicht nach ihren Fähigkeiten einsetzen wollte, nur weil irgendjemand Hohes beim Militär beschlossen hatte das man Fachkräfte nur einsetzt, wenn sie der Armee beitraten, würde sie ihre Konsequenzen daraus ziehen. Sollte man sie dazu zwingen dem Militär beizutreten damit sie als Apothekerin helfen konnte, so würde sie es nicht tun.
Madeline hatte sich mehr Flexibilität gewünscht. Aber anscheinend war das nicht so einfach.
„Colonel Rush, ich schlage vor, wir machen uns beide unsere Gedanken dazu und besprechen das morgen noch einmal in aller Ruhe miteinander. Immerhin bin ich ja heute erst hier angekommen. Ich würde gern noch eine Nacht über diese Situation nachdenken.“
Nachdenken und sich gründlich überlegen was sie tun sollte war das Einzige was für sie persönlich Sinn machte! Sie verabschiedete sie bis zum nächsten Morgen bei Colonel Rush und Hospital Steward Roquefort und stellte sich für einen kurzen Moment an die offene Tür des Hauses.
Frische Luft. Das tut gut. In was für eine missliche Lage hast du dich da wieder gebracht? Dachte sie bei sich und schüttelte unmerklich mit dem Kopf.
Später ging sie eine Kleinigkeit essen und zog sich dann auf ihr Zimmer zurück.
Claudine sah Madeline nach ihrer Entschuldigung über Frauen in Uniform an und sagte knapp: "Nicht jeder kann seine Ausbildung selber finanzieren Mrs Higginbottom."
Nachdem Madeline und auch Colonel Rush gegangen war, packte Claudine die gewünschten Sachen und noch einige andere, in ihren Augen nützliche Dinge zusammen und brachte sie rechtzeitig vor der Abreise des Generals und seiner Truppe zu Colonel Rush.
Anschließend ging sie zurück ins Lazarett, zündete eine Petroleumlampe an und setzte sich mit einem Lehrbuch in eine ruhige, etwas abgelegene Ecke. Ihre Füße legte sie auf einen zweiten Stuhl, schlug das Buch auf und begann zu lesen. Nach einer ganzen Weile wurde sie müde, die Augen fielen ihr mehrfach zu und der Kopf fiel nach vorne. Sie schreckte dann immer wieder hoch und las weiter, aber irgendwann blieb ihr Kopf unten und sie schlief ein.
Claudine saß auf der Kante einer Pritsche, die sie sich im Lazarett aufgestellt hatte, um wärend ihres Dienst in der Nacht sofort vor Ort sein zu können. Sie rieb sich erschöpft die Augen und atmete dabei tief ein, um die Luft in einem kurzen Stoß aus zu atmen.
Die Nacht war anstrengend gewesen. Nicht das ihnen die Verletzten die Bude eingerannt hätten, aber immer wieder kamen einzelne Verletzte und kaum war man mit dem einem fertig und hatte gerade für wenige Minuten die Augen zugetan, da kam auch schon das nächste Problem.
Claudine mochte solche Nächte nicht. Dieses Auf und Ab war anstrengender und energieraubender als eine ganze Nacht regelrecht unter Strom zu stehen und einen Verletzten nach dem anderen auf den Tisch zu bekommen. Mittlerweile überließen ihr die Ärzte ab und an auch schwerere Wunden, da sie sich im Umgang mit Treffern im Torsobereich als sehr geschickt erwiesen hatte. Nur wenn es sehr knapp und riskant war, wenn jemand z.B. mehrere schwere Treffer abbekommen hatte und jede Minute über Leben und Tod entscheiden konnte, assistierte sie nur.
Claudine wusste diese Anerkennung und das in sie und ihre Fähigkeiten gesetzte Vertrauen zu schätzen, aber es brachte auch eine Menge Verantwortung mit sich. Noch immer kämpfte sie sehr damit, zu akzeptieren, wenn sie verloren hatte. Es gab manchmal einfach Fälle, da kam jede Hilfe zu spät.
Sie atmete noch einmal tief durch, streckte sich, strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und ihre Uniform glatt und stand auf. Der Duft von frischem Brot, Tee und Kaffe weckten ihre Lebensgeister und sie begab sich, begleitet von einem lauten Knurren ihres Magens, der, wie sie meinte, meilenweit zu hören gewesen sein musste, in den Aufenhaltsbereich.