Ann-Marie stand auf und seufzte hörbar. "Vielleicht sollten wir eine Lampe mitnehmen? Im Keller ist es immer ziemlich dunkel", schlug sie vor. "Und die Männer scheinen ja weg zu sein." Zumindest hoffte sie das.
'Schlangen, Mexikaner, Banditen,...und alle sonstigen denkbaren Fälle', dachte sie bei sich.
"Außerdem sehen wir mit Licht vielleicht, wie sie den Keller betreten und wieder verlassen haben und wir fallen nicht über die Vorratskisten dort unten." Ann-Marie lächelte Lizzy aufmunternd zu, wie sie hoffte und eilte dann ins Haus. Sie kam etwa 3 Minuten später mit einer entzündeten Petroleumlampe zurück.
"Na dann, wollen wir mal", sagte sie zu Lizzy. "War in der Zeit, in der ich weg war, noch etwas?"
...was jetzt beiden Frauen auffiel, waren sehr deutliche Spuren die aus einem Gebüsch zur Kellerluke führten...es schien fast so, als wäre jemand dorthin gekrochen. Blutspuren waren keine zu sehen...
"Nein, es war ganz ruhig, unheimlich", flüsterte Lizzy, die schon näher an die Kellerluke herangeschlichen war.
"Machen Sie die Lampe schon mal an, aber wir sollten erstmal versuchen ohne Licht was zu erkennen. Soll ich die Luke mal einen Spalt anheben?", fügte sie aufgeregt an.
Ann-Marie nickte Lizzy zu und stellte die angezündete Lampe vor dem Kellereingang ab. "Machen Sie nur", sagte sie und versuchte ihre Stimme zuversichtlich klingen zu lassen.
Lizzy nahm ihren ganzen Mut zusammen, drückte kurz die Hand von Ann-Marie und atmete einmal tief durch. Dann näherte sie sich ganz behutsam der Kellerklappe, legte vorsichtig die Finger um das Holz und begann ganz langsam daran zu ziehen. Nach wenigen Zentimetern machte das Scharnier ein leises quietschendes Geräusch. Lizzys Herzschlag setzte aus, sie hielt die Luft an und konnte nur mit Mühe dem Instinkt, die Klappe einfach fallen zu lassen und fort zu laufen so schnell und so weit sie konnte, widerstehen. Die Schrecksekunde verging und nichts passierte. Lizzy atmete erleichtert aus.
Dann setzte sie ihr Werk fort, noch vorsichtiger und noch langsamer. Nach wenigen Augenblicken, die ihr wie Stunden vorkamen, hatte sie einen so großen Spalt geöffnet, dass sie hindurch sehen konnte...
Zunächst geschah erst einmal gar nichts und die Treppe nach unten wurde durch die leicht geöffnete Tür eher vom Tageslicht, als von der Laterne erhellt. Bis zum Ende des Lichtscheins war nichts zu erkennen und der Keller bot einen friedlichen Anblick...bis auf...was war denn dass für ein Geräusch? Ein leichtes Kratzen, dann ein fast unhörbares Fiepen und dann schoß eine kleine Fledermaus aufgeschreckt durch den Spalt und flog davon...
Ann-Marie erschrank sich fürchterlich als die Fledermaus, zwischen den beiden Frauen hindurch flog und stieß einen spitzen Schrei aus.
'Seit wann waren da Fledermäuse im Keller?', dachte sie bei sich. Sie atmete ein paar Mal tief durch und schämte sich etwas, dass eine kleine Fledermaus sie so erschreckt hatte.
Lizzy, die normalerweise keine Angst vor Fledermäusen hatte und diese eigentlich sogar recht niedlich fand, erschrak sich so sehr über den Schrei von Ann-Marie, dass sie die Kellertür zuschlug.
War es der Schreck oder dann doch die Situationskomik. Sie mußte kichern. "Jetzt lassen wir uns schon von einer Fledermaus erschrecken, wir sind ja Helden...", füsterte sie kichernd.
Ann-Marie musste mitlachen und damit viel einiges der Anspannung von ihr ab. "Es tut mir leid." Sie schüttelte den Kopf über sich selbst. "Das war die Anspannung..." sie zuckte mit den Schultern. "Ich würde sagen, wir wagen einen zweiten Anlauf."
Sie ging auf die Kellertür zu, fasste sich ein Herz und klappte die linke Hälfte ganz auf, so dass nun helles Sonnenlicht die Stufen am Eingang hinunter fiel.
Falls dort unten jemand war, dann wusste er mittlerweile schon lange, dass jemand vor hatte ihn zu besuchen.
Die Sonnenstrahlen brachen sich etwas in dem Staub, den das Zuschlagen der Tür aufgewirbelt hatte aber ermöglichten einen guten Blick in den Keller. Alles schien in Ordnung zu sein. Einige Kisten, alte Möbel, ein paar staubige Armeestiefel am Boden, ein umgefallenes Regal...STIEFEL???...da schien zu allem Übel auch noch jemand drinzustecken, den man aber nicht erkennen konnte und der sich auch nicht bewegte.
Ann-Marie stubste Lizzy an und zeigte dann still auf die Stiefel am Boden. 'Umgefallenes Regal...Stiefel am Boden..Ächtzen, Stöhnen, Stille...'
Ann-Marie hob die Pistole und zielte auf die Stiefel, den Daumen am Hahn ohne jedoch die Waffe schon gespannt zu haben.
"Hören Sie Mister" sagte sie laut und gut vernehmlich. "Sie kommen jetzt langsam da raus, wenn Sie können. Wir tun Ihnen nichts, wenn Sie uns nichts tun. Aber ich warne Sie. Wenn Sie etwas Unüberlegtes tun, dann schieße ich Ihnen ein Loch in den Stiefel."
Vielleicht würde das den Zweiten aus der Reserve locken, wenn der Erste sich -vielleicht- nicht mehr regen konnte. Immerhin hatten sie vorhin jemanden etwas von "In Deckung" sagen hören und das sagte man sicherlich nicht zu sich selbst.
Das wäre zwar das erste Mal, dass sie auf einen Menschen schießen würde, aber das wussten die im Keller ja nicht.
Lizzy hielt den Atem an und wendete den Blick keine Sekunde von den Stiefeln ab. Nach einer ganzen Weile, als keinerlei Reaktion kam, bedeutete sie Ann-Marie, dass sie in den Keller gehen würde. Sehr wohl fühlte sie sich nicht, aber was sollte sie sonst tun? Sehr langsam schlich sie in Richtung Kellertreppe, eine Stufe nach der anderen...