Sam saß müde an einem Baum gelehnt im Schatten. Er hatte schlecht geschlafen. Zu viele Dinge beschäftigten ihn und seit den Geschehnissen in Anderson´s Haus kamen die bösen Träume aus dem Krieg immer häufiger zurück.
Er hatte ob der doch recht warmen Temperaturen seine Jacke ausgezogen und schaute sich die illustre Gesellschaft nachdenklich an.
Er träumte von alten Zeiten, vom letzten Familienpicknick wo sie alle vereint waren. Es schien eine Ewigkeit her zu sein.
Allerdings war er innerlich nicht so ruhig, wie es den Anschein hatte. Vor seinem geistigen Auge plante er verschiedenste Dinge. Den Ausbau seiner Geschäfte, den Wiederaufbau der NKS, den bevorstehenden Feldzug gegen Mexiko und und und. Immer wieder sah er die militärischen Disaster der vergangenen Jahre vor sich und überlegte welche Möglichkeiten sie hatten, das Ganze doch noch zum Guten zu wenden.
Er betrachtete Cpt. Scott und die Blicke, die er Belle zuwarf. Immer wenn scott bemerkte, daß McAllister ihn beobachtete schaute er unsicher weg. Andrew saß neben Isabelle und bemerkte diese Blicke sicherlich auch... es sah fast so aus, als sammle er seinen Mut um etwas dazu zu sagen.
...doch Andrew sagte nichts, denn die Blicke die der junge Captain seiner Frau zuwarf, waren für ihn nichts ungewöhnliches, denn sie war ja auch bildhübsch und hatte ein anmutiges Wesen. Oft warfen andere Männer seiner Frau solche bewundernde Blicke zu und es machte ihn eher stolz als mißtrauisch.
Dann stand er auf um sich etwas die Beine zu vertreten und machte dabei einen großen Bogen um Jonathan, der sich einen Tag frei genommen hatte um an den Familienaktivitäten teilzunehmen. Er war nur ganz früh am Morgen kurz in der Garnison gewesen um noch einige Details mit den geladenen Offizieren zu besprechen...
Dunston der die ganze Zeit nur darauf wartete, das die Speisen 'freigegeben' wurden, saß an einen Baum gelehnt in der Sonne und rauchte seine Pfeife. Dann wendete er sich kurz an Pvt. Sedlitz der offenbar mit der Situation nicht ganz zurechtkam und sprach ihn an.
"Also Private Seydlitz, wenn sie mit dem Colonel reden wollen, sollten sie das langsam einmal tun, denn ich wäre sehr ...ungehalten...wenn sie damit bis zum Essen warten und es zu irgendwelchen Verzögerungen kommt, klar!"
Aber genau in dem Moment meldete Jeremiah, das alles angerichtet sei und präsentierte frisch gebratenes Fleisch, Brot, Kartoffeln, Salate und Maiskolben. Dazu gab es eine kleine Auswahl an erlesenen Weinen, Whisky und Bier...
Gordon war der erste der stand und zum Buffet eilte. Doch dann besann er sich und wartete ungeduldig und hungerig, dass sich zunächst die Damen bedienen konnten oder bedient wurden, wobei er gierig auf die Speisen starrte.
Sam wurde aus seinen Gedanken gerissen als Jeremiah zum Essen rief.
Er stand auf, sah sich nochmal in der Gegend um und atmete tief ein, gerade so als versuche er alles in sich aufzusaugen um es möglichst lange in Erinnerung zu halten.
Er lächelte seine Schwestern freundlich an und reihte sich dann an die Schlange beim Büffet.
Jonathan stand neben ihm.
"Sag mal John...was sind das für Leute, die heute Abend kommen ? Vollblutyankees oder haben sie früher auf unserer Seite gestanden?" fragte er in einem freundlichen Ton
Jonathan grinste leicht und machte eine ausgleichende Bewegung mit der Hand. "Das hält sich fast die Waage. 2 haben einmal auf eurer Seite gestanden, wie zum Beispiel Major Thorn, mein Stellvertreter und Lieutenant Thompson mein Adjutant. Der Major war im Krieg Brigadier General unter Longstreet und Thompson hat sein Patent erst vor einem Jahr gemacht. Er war Trommler in Hills Korps.
Die anderen drei sind das was du als 'Vollblutyankees' bezeichen würdest inklusive des Stabsarztes, nun, aber bei letzterem ist das ja auch kein Wunder", erklärte er gut gelaunt und bediente sich am Buffet.
Vincent, der etwas abseits gesessen hatte, begab sich ebenfalls zu dem, mit wallendem weißen Tuch gedeckten Buffettisch. Nachdem die Damen und die höheren Offiziere etwas zu essen bekommen hatten, stellte er sich gekonnt auffällig vor Andrew, um diesen zu provozieren. Da dieser zwar etwas sparsam dreinschaute aber nichts sagte, ließ er sich auftun und zwinkerte dann Dunston zu, als wollte er sagen: "Hau rein!" Vincent ergatterte einen Platz neben Belle, wie der Colonel sie nannte, und verwickelte sie in einen netten Smalltalk. Er war ihr sehr zugetan und genoß ihre Nähe, wenn gleich er wusste, dass es sich nicht ziemte, was er tat, doch seine Gefühle für diese wunderbare Frau wurden immer stärker. "Ich würde mich geehrt fühlen, wenn ich heute Abend mit ihnen tanzen dürfte..." brach es aus ihm heraus und damit verletzte er eindeutig die Verhaltensregeln, denn er hätte ihren Mann um Erlaubnis fragen müssen. Vincent errötete leicht und schaute verlegen auf seinen Teller. Vieles ging ihm durch den Kopf und er wartete förmlich, von Andrew hochgerissen und mit dessen Handschuh ins Gesicht geschlagen zu werden für seine Dreistigkeit. Zugleich hoffte er, dass Belle ihn dafür nicht missachtete.
Cpt. Vincent Scott, CS - Cavalry Adjutant von General Stafford
Man sah wie sich Andrew leicht straffte und den Mund öffnete um etwas zu sagen, aber der junge Captain schüchterte ihn zu sehr ein und das einfach dadurch, dass er ein selbstbewusster Soldat war. Er selbst war nie ein mutiger Mann gewesen. Große Sprüche klopfen konnte er wenn keine Konfrontation da war, aber jetzt versagte ihm die Stimme und er tat einfach so, als hätte er es nicht gehört.
Isabelle war allerdings um einiges schlagfertiger als ihr Mann und schaute Vincent zunächst freundlich, dann aber deutlich kühler an.
"Ich war geneigt ja zu sagen, Captain Scott, aber ich werde erst wieder einen Gedanken daran verschwenden, wenn sie sich bei meinem Mann für diesen Bruch der Etikette entschuldigt haben. Von einem Offizier und Gentleman wie ihnen hätte ich so ein Verhalten nicht erwartet", erwiderte sie dann recht kühl, wobei man sich aber nicht sicher sein konnte wie ernst sie das wirklich meinte...
Sam mußte sich ein Grinsen verkneifen. So kannte er seine kleine Schwester. Er sah Andrew ein wenig hilflos an. Was sollte aus diesem Kerl nur werden ? Hatte er überhaupt kein Ehrgefühl.
Mit einem leichten Seufzen schüttelte er den Kopf.
"Andrew, wir werden nachher mal einen Spaziergang machen." meinte Sam nur resignierend und begann zu essen.
Andrew schaute seinen Schwarger gehetzt an. "Einen Spaziergang? ...ähm...ja, aber natürlich Sam. Das ist gar kein Problem", stammelte er nur unterwüfig und lud sich dann den Teller voll...
"Andrew, es reicht! Wir haben Gäste", zischte ihn Jonathan dann auch noch an, als ein Maiskolben von Andrews Teller fiel, was diesen dazu veranlasste den Kolben aufzuheben und sich schnell, allein an einen Baum zu setzen.
Sam tauschte einige vielsagende Blicke mit Jonathan, Isabelle und Mary.
Dann sah er Scott an.
"Captain Scott, wir beide werden uns später auch noch einmal unter vier Augen über die geltenden Formen der Etikette unterhalten.... es scheint Sie haben da ein kleines Defizit, dem wir abhelfen müssen." sagte er gefaßt
Als Sam seinen Teller leer gegessen hatte stand er auf und ging zu Andrew, der auch fertig war. Er schnappte sich seinen Schwager und ging ein Stück mit ihm.
"Also mein lieber Andrew.... es wird Zeit, daß Du mir sagst wo eigentlich Dein Problem liegt." sagte er ruhig
"Ich habe keine Lust Dich runterzumachen oder zu kritisieren, aber hast Du denn überhaupt kein Rückrat? Es kann nicht sein, daß du hier offenkundig beleidigt wirst, deine Ehre angegriffen wird und Du dich von deinem Weib verteidigen läßt ?!? " sagte er etwas lauter
Er hielt an und sah Andrew in die Augen.
"Du bist Dir im klaren darüber, daß dein Ansehen hier in deR umgebung kaum noch tiefer sinken kann? Und damit das Ansehen meiner Schwester und meiner Familie.... das geht so nicht Andrew!" fuhr Sam ernst fort
Der Jammerlappen war anscheinend gänzlich am Boden.
"Brauchst Du eine Gelegenheit dich zu beweisen?" fragte Sam schließlich
Obwohl Andrew genau wusste was los war tat er, und das recht überzeugend, gänzlich unwissend. "Also ich weiß gerade gar nicht was du meinst, Sam. Es ist doch alles in bester Ordnung. Niemand hat mich beleidigt, zumindest nicht das ich es mitbekommen hätte und Probleme habe ich auch nicht...ganz davon ab, das mir nichts ferner liegt als mich beweisen zu wollen", antwortete er etwas schüchtern und sah sich nervös zu Jonathan um, der sich aber nur kopfschüttelnd abwendete...
Sam sah Andrew ungläubig an. Ihm überkam das Verlangen diesen Kerl einfach nur zu verprügeln. Er hatte Andrew immer akzeptiert und unterstützt und ihm gut zugesprochen, soweit es vertretbar war. Und so war die Reaktion dieses Schwächlings ?
"Jetzt hör mir mal zu, Mister." sagte Sam, es war jetzt genug der guten Worte
"Ich habe Dich immer versucht zu unterstützen, habe über vieles hinweg gesehen und Dich in Schutz genommen, um meiner Schwester Willen !" er wurde wütend
"Wann wirst Du endlich mal wach?! Es ist niemand mehr da, dich zu schützen, mir sind die Hände gebunden.... Du bist bankrott...am Boden. Wußtest Du nicht, daß Deine Frau ihren ganzen Schmuck für Dich versetzt hat? Ist es Dir nicht aufgefallen? Oder hast Du sie gar angestiftet ?" sprach er weiter
"Leute wie Dich kannte ich zu Hauf.... und vor dem Krieg habe ich Sie aus dem Geschäft gedrängt und während des Krieges erschossen. Du bist ein Mann und du hast Ehre im Leib. Steh auf und verteidige Sie endlich und beschütze deine Frau.... und Du mußt es beweisen...denn so wie es im Moment aussieht, Andrew, kann es nicht bleiben." schnauzte er seinen Schwager an