Als wenn sich Higgins innerlich erst dazu durchringen gemusst hätte straffte er sich, um dann noch dreimal, diemal energischer, an die schwere Tür zu klopfen. Er lehnte den Kopf ein wenig vor, als wollte er genau lauschen, ob sich im Inneren etwas tat.
"Lass nur, ich mach schon." er sah ihr fest in die Augen, dann grinste er:"Was will er machen? Mich erschießen lassen, weil ich mir erlaube, auf meinen General zu achten?." Higgins legte seine Hand auf den Türgriff, und neigte den Kopf etwas vor, als wenn das bevorstehende Donnerwetter so einfach über ihn hinwegfegen würde. Eine Schweißperle glitzerte auf seiner Schläfe. Schließlich drückte er die Türklinke herunter und schob langsam die Tür auf.
Als in diesem Moment das altbekannte Gepolter nicht losbrach wurde Higgins klar, daß hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Und dann gewahrte er den reglos am Boden liegenden McAllister.
Lizzy versuchte an Higgins vorbei zu sehen, was nicht so einfach war, da er in der Tür wie angenagelt stand. Als sie schließlich über seine Schulter die am Boden liegende Gestalt des Generals sah, holte sie erschrocken Luft.
"Was... General... Sir ...?!" Sie rüttelte an Higgins Arm.
"Schnell, hol Hilfe, Grant, McBride oder Roquefort, egal, oder besser alle", sagte sie aufgeregt.
--------------------------------------- Gott schließt nie eine Tür, ohne eine andere zu öffnen. (Irisches Sprichwort)
In der Messe angekommen, dirigierte Claudine die Männer zum abgetrennten Lazarettbereich und bat sie, den General auf den Behandlungstisch zu legen. "Merci beaucoup, isch möschte ihnen herzlisch für ihre Hilfe danken. Würden sie jetzt bitte gehen und den Vorhang schließen?"
Nachdem die Männer gegangen waren, wendete sie sich an Miss Lacy: "Isch befürschte seine Wunde ist bei dem Sturz auf gegangen und isch muss sie mir genauer ansehen. Die Platzwunde am Hinterkopf sollte auch genäht werden. Fühlen sie sisch stark genug, um mir zu assistieren oder soll isch jemand anderen kommen lassen?"
"D'accord Miss Lacy, aber...", Claudine unterbrach sich. Eigentlich wollte sie Miss Lacy sagen, dass sie sich, wenn es nicht mehr ginge hinsetzen solle, aber sie erinnerte sich daran, wie Charlotte im Gefängnis durchgehalten hatte, als Grant zusammen mit ihr dem General drei Kugel aus dem Leib geholt hatte. "Aber machen sie sisch bitte nischt all zu große Sorgen. Isch bin sischer, dass es nicht sehr schlimm ist."
Sie kontrollierte noch einmal Mc Allisters Puls und nickte Miss Lacy zu. "Bitte helfen sie mir, ihn auf seine unverletzte Seite zu drehen, damit wir die reschte Schulter von Kleidung befreien können. Und legen sie ihm die Decke dort", sie zeigte mit einem Kopfnicken auf das im Lazarettbereich stehende Feldbett, "unter den Kopf, damit nicht zuviel Zug auf die Wunde entsteht"
Als Claudine die schrecklichen Narben auf Mc Allisters Rücken sah wurde sie kreideweiß im Gesicht, stöhnte kurz auf und schluckte schwer. Mon dieu, und dass alles nur für Stolz und Ehre, ging es ihr durch den Kopf. Sie musste sich sehr zusammenreißen, um nicht aus dem Behandlungsbereich zu flüchten. "Isch möschte, dass sie sisch jetzt vorne auf die Tischkante setzen und seinen Oberköper etwas zu sisch ran ziehen. Dadursch bleibt er besser in dieser Position liegen und isch kann in Ruhe die Wunde begutachten."
Wes kam nach seiner kleinen Pause wieder in den Hauptraum. Er bemerkte das Getuschel der Leute und nahm sich die Zeit ein wenig zuzuhören. Als er hörte, dass der General ins Lazaret getragen wurde, dachte Wesley zwei Dinge: 1. Auf den Flurfunk unter Soldaten ist verlass und 2. Wir müssen einen Tumult von Schaulustigen verhindern. Und kein Soldat lässt es sich entgehen, die Männer im Krankenbett zu sehen die sonst von einem verlangen in den sicheren Tod zu gehen. Baker nahm sein Gewehr, fragte einen der Privates woder General liegt und stellte sich vor den Bereich im Achtung auf. Jeder, der dumm fragte und zu verweilen suchte erntete einen böses Blick und folgenden Satz: "ich weiß nicht was darin vorgeht aber ich habe den Befehl hier aufzupassen und genau das tue ich und jetzt muss ich Sie bitten diesen Raum zu verlassen."
Private Wesley Baker 2nd US Cav. A-Cy, 1st Platoon
"Oui, trés bien. Bitte achten sie auf jeglische Regung seinerseits, isch möschte ihm ungern ein Narkosemittel geben, bevor isch nicht genau weiß, was passiert ist. Und wenn er aufwacht wissen wir nicht, wie er reagieren wird." Claudine wendete sich der blutenden Wunde zu. Die Austrittswunde im Rücken war groß und Claudine bewunderte Mc Brides Geschick, wie er die narbige Haut über der Wunde hatte schließen können. Die Naht war so gut, dass sie immernoch geschlossen war.
Claudine sah sich die Vorderseite an. Sie entdeckte einige Prellmarken, die ihr sagten, dass Mc Allister wohl auf bzw. gegen die Schulter gefallen sein musste. Eine Naht war aufgegangen und aus der Wunde sickerte Blut. Sie nahm eine feine Pinzette und ein Skalpell, um die restlichen Fäden zu öffnen. An Miss Lacy gewand sagte sie: "Isch werde jetzt die Fäden aufschneiden und kontrollieren, ob im Wundinneren alles in Ordnung ist. Mit Glück ist nur die Außennaht aufgegangen."
Claudine versuchte mit zitternden Händen einen Knoten zu erwischen, aber als es ihr nach drei Anläufen nicht gelang ging sie einige Schritte vom Behandlungstisch zurück, rieb sich über die Augen und atmete ein paarmal tief durch. Hinter dem Vorhang hörte sie, wie jemand Neugierige abblockte. Die Stimme kenne isch doch, dachte sie. Private Baker, fiel ihr ein. Sie war dankbar darüber, dass er unter anderem auch Mc Allisters Soldaten, die sie mit ihren Fragen oder Blicken noch nervöser gemacht hätten, am hereinkommen hinderte.
Erneut atmete sie tief durch und ging wieder an den Tisch. Dieses Mal zitterten ihre Hände nicht mehr. Routiniert zog sie einen Knoten nach dem anderen mit der Pinzette hoch, schnitt mit dem Skalpell den Faden durch und zog ihn mit der Pinzette heraus.