Lizzy war kurz in die Küche entschwunden und eilte nun mit einem Kessel kochendem Wasser den Gang entlang, zielstrebig auf den Behandlungsbereich zu. Als sie Baker mit dem Gewehr in der Hand vor dem zugezogenen Vorhang stehen sah, der mit bösem Blick in den Raum starrte, bis sein Blick an ihr hängen blieb, blieb sie abrupt stehen und sah ihn verunsichert an.
Lizzy war kreidebleich vor Sorge, sah ihn mit großen Augen an und war schon drauf und dran aus dem Raum zu flüchten, doch dann dachte sie an den General und Charlotte und nahm all ihren Mut zusammen.
"Pvt. Baker, bitte lassen Sie mich durchgehen, ich hab heißes Wasser für die Steward."
Fragend sah sie ihn an.
--------------------------------------- Gott schließt nie eine Tür, ohne eine andere zu öffnen. (Irisches Sprichwort)
Lizzy lächelte Pvt. Baker etwas kläglich zu und huschte durch den Vorhang. Auf der anderen Seite brauchte sie einige Sekunden, um sich einen Überblick zu verschaffen, und um sich darauf zu konzentrieren, nicht auf all das Blut zu achten, dass aus McAllisters Wunde floss. Stell Dich nicht so albern an, das ist ja lächerlich., schimpfte sie sich selber in Gedanken. Nach einem tiefem Atemzug, was es auch nicht wirklich besser machte, denn der Geruch von frischem Blut lag in der Luft, riss sie sich am Riemen und sprach Claudine an, die an der Wunde herumwerkelte.
"Steward Roquefort, ich habe hier heißes, abgekochtes Wasser für Sie. Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie zur Hand gehen?"
--------------------------------------- Gott schließt nie eine Tür, ohne eine andere zu öffnen. (Irisches Sprichwort)
Lizzy war immer noch recht blass um die Nase und versuchte möglichst nicht auf die Wunde und das, was Claudine mit ihr anstellte, zu schauen.
Sie stellte den Kessel auf einem Tisch ab, faltete ein sauberes Tuch auseinander, feuchtete es an und reichte es Charlotte. "Alles wird gut. Keine Sorge. Kann ja so schlimm nicht sein. Vorhin war er ja noch auf den Beinen. Und Steward Roquefort wird ihn sicherlich bald wieder auf die Beine bringen", versuchte sie Charlotte leise zu beruhigen.
Sie drückte kurz Charlottes Arm und begutachtete dann argwöhnisch die Schüssel mit dem rötlich gefärbten Wasser. Unschlüssig, was sie damit machen sollte, sah sie sich um und entdeckte eine unbenutzte Schale. Erleichtert nahm sie diese, füllte heißes Wasser ein und stellte die andere einfach beiseite.
--------------------------------------- Gott schließt nie eine Tür, ohne eine andere zu öffnen. (Irisches Sprichwort)
Lizzy schloss kurz die Augen und sah Higgins vor sich, wie er bewußtlos un dem Tode näher als dem Leben auf der Liege hier im Lazarett gelegen hatte. Hilflos hatte sie sich gefühlt, als McBride ihr erklärte, dass er vielleicht nicht überleben würde. Hilflos und verloren.
Oh, sie konnte Charlotte nur zu gut verstehen. Nichts tun zu können, außer zu beten und zu hoffen, das war ein Schicksal, dass Frauen wie Charlotte bis an Kriegsende ertragen mußten. Irgendwie.
Sie atmete einmal tief ein.
"Ich weiß", seufzte sie. "Es ist nicht leicht und es wird immer schwerer. Aber Sie schaffen das, sie halten durch. Das müssen sie."
In Gedanken fügte sie hinzu: und ich ebenso.
"Ihr General hat keine Wahl, er muß tun, was getan werden muß, bis dieser elende Krieg beendet ist. Danach wird alles anders. Besser. Friedlicher."
--------------------------------------- Gott schließt nie eine Tür, ohne eine andere zu öffnen. (Irisches Sprichwort)
"Wir werden das überleben. Weil es einfach so sein muss", sagte Lizzy trotzig.
"Vergessen kann man solche Erlebnisse niemals, das darf man auch nicht. Sonst wären alle Opfer vergebens.
Vielleicht können wir eines Tages ein normales Leben führen. Nein, nicht vielleicht, wir werden ein normales Leben führen und wir werden stärker aus diesem Krieg herauskommen, als wir hinein gegangen sind.
Aber vergessen...?"
Lizzy dachte kurz an ihre Familie, die in Laredo begraben lag und lächelte wehmütig.
"... nein, vergessen darf man nicht. Nur verzeihen."
--------------------------------------- Gott schließt nie eine Tür, ohne eine andere zu öffnen. (Irisches Sprichwort)
Claudine bedankte sich bei Miss O'Neal für das frische, heiße Wasser. Sie war aber zu sehr mit der Wunde beschäftigt, um sich länger mit ihr zu unterhalten. Als Miss Lacy meinte, dass der General womöglich Fieber habe, fühlte sie kurz über seine Stirn. Feine Schweißperlen hatten sich bereits darauf gebildet und sie war wärmer als vorhin in seinem Büro. Sie blickte zu Miss Lacy und sagte: "Isch befürschte, sie haben rescht Miss Lacy. Isch werde die Wunde genau kontrollieren, obwohl das, was isch bisher gesehen habe, sehr gut aussieht."
Dann sah Claudine zu Lizzy, die ziemlich käsig neben Charlotte stand. "Vielleischt können sie eine Rinderbouillon oder eine mit Hühnschen aufsetzen Miss O'Neal. Sollte das Fieber des Generals noch weiter ansteigen, kann er eine Stärkung gut gebrauchen." Danach wendete sie sich wieder der Wunde zu.
Claudine unterbrach sofort ihre Untersuchung der Wunde und sprach Sam an. "General Mc Allister, hören sie misch.?" Sie strich ihm über die Wange, aber er reagierte nicht. Anschließend kontrollierte sie seinen Puls und Atmung. Letztere war etwas schnell und nicht wirklich tief.
"Non, Miss Lacy, isch kann sie beruhigen. Die Wunde hat sisch nischt entzündet und auch die verendeten Gefäße sind dursch den Sturz nicht wieder aufgegangen. Die Blutung wurde dursch den Sturz verursacht, da die Naht dabei aufgegangen ist. Hat er bei der Verletzung viel Blut verloren?", sie sah Miss Lacy fragend an. "Gegen das Fieber kann isch nachher einen Kräutertee aufsetzen. Zudem können Wadenwickel helfen."
Claudine nickte verständig. "Hmmm, der hohe Blutverlust kann ein Grund für sein Fieber sein. Für den Körper ist dann alles eine Höchstleistung. In den nächsten Tagen wird er einige Schritte kürzer treten müssen." Mit einem Blick zu Miss Lacy fuhr sie fort: "Die Frage ist nur, wie wir ihn dazu bekommen."
Dann griff Claudine nach der Iodtinktur: "Isch werde jetzt den Wundkanal spülen, hoffen wir, dass ihn der Schmerz nischt ins Bewusstsein zurück holt. Isch würde ihm nur ungern noch mehr Leid zufügen."